Cross-cladding or What's so political about chiffons?
(Fn1,2)

Lehrauftrag im Wintersemester 2013 / 2014 an der HfbK, Hamburg
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Gottfried Semper bezeichnete 1860 mit der sogenannten "Bekleidungsthese" die textile Hülle als die eigentliche Urform der Architektur.
Die Hülle maskierte für ihn nicht einen nackten Gebäudekern, vielmehr war die (gewebte) Oberfläche selbst strukturbildend wodurch er festgeschriebene architektonische Hierarchien zu wenden vermochte. Diese These bildete im Folgenden eine wichtige Grundlage einer feministischen Re-Lektüre und Kritik der abwertenden Assoziation des Weiblichen mit dem Ornamentalen durch Adolf Loos um 1900, der damit verbundenen problematischen ästhetischen und ideologischen Polarisierungen wie Innen und Außen, Sein und Schein, Kern und Hülle, Werk und Beiwerk, high und low art, autonome Schöpfung und Dekoration, sowie deren bis heute wirksame geschlechterspezifische Konnotationen.

Das Interesse für das Textile als eine gewebte, räumliche Struktur, wie es im Anschluss an Semper als Hybrid zwischen dem männlich dominierten Bereich der Architektur und historisch eher weiblich verorteten Techniken der (Ver-, Aus-) Kleidung verstanden werden kann, bildet Ausgangspunkt für eine Lektüre von theoretischen Texten von Katarina Bonnevier, Hanne Loreck, Irene Nierhaus, Rike Felka, Birgit Schneider, T'ai Smith, Beatriz Preciado, sowie künstlerischen Textarbeiten von Frances Stark, Olaf Nicolai und Ausstellungsprojekte wie beispielsweise Lilly Reichs Café "Samt und Seide" auf der Ausstellung "Die Mode der Dame", Berlin 1927 und die sich darauf beziehende "Curtain Show" in London 2010, sowie die aktuelle Re-Inszenierung in der Ausstellung „Kunst+Textil“ im Kunstmuseum Wolfsburg.

Anhand dieses Diskursfeldes und Beispielen aus der Praxis der Studierenden soll es des Weiteren um ein generelles Nachdenken darüber gehen, inwiefern bereits Materialien BedeutungsträgerInnen sein können? Was wäre in diesem Zusammenhang material queerness?
Das Ornamentale und das Diskursive ähneln sich darin, dass beide ihre Materialität mit einem sich fortschreibenden Prinzip verbinden, sie über räumliche Dimensionen verfügen und sich berührende, prozessuale Texturen sind, die sich auch von geteilten AutorInnenschaften weiterschreiben lassen. Welches produktive Potenzial lässt sich daraus ableiten für eine geschlechterpolitische künstlerische Praxis und im Hinblick auf normierende Ausstellungsstandards, erlernte Formate und bestehende Machtstrukturen? Inwiefern müssten bereits die räumlichen und strukturellen Rahmenbedingungen des Ausstellens kritisch daraufhin reflektiert werden und nicht erst die in sie transferierten Inhalte?
Ziel des Seminars ist eine gemeinsame Skizzierung und modellhafte Umsetzung eines solchen Projektes und das Entwickeln einer Art kritischen „Grammatik“ des Ausstellens.

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Fussnoten:
(1) Katarina Bonnevier, Behind straight curtains, towards a queer feminist theory of architecture, Stockholm 2007, S. 276ff.
(2) Mies Van Der Rohe, 1935; zitiert nach Céline Condorelli, Support Structures, Sternberg Press 2009, S. 424.
(3) Katarina Bonnevier, A queer analysis of Eileen Gray's E.1027, in: Negotiating Domesticity, Spatial productions of gender in modern architecture, Ed. by Hilde Heynen and Gülsüm Baydar, New York 2005, S. 168.

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